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08.12.2022: Motion «Mehr Kohärenz bei der Energiebeschaffung durch ÖV-Unternehmen»

Antrag:

Das Gesetz über den Beitritt zur Interkantonalen Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen(1) wird wie folgt geändert:

  1. Im Kanton Bern tätige ÖV-Unternehmen, die direkt oder indirekt mehrheitlich vom Kanton, kommunalen oder regionalen Körperschaften (insb. Gemeinden) getragen werden und Energie am freien Markt beschaffen, dürfen Aufträge, die in engem Zusammenhang mit der Energiebeschaffung stehen, insb. die Aufwandentschädigung für die Energiebeschaffung und den Einkauf von Herkunftsnachweisen, nicht als separate Aufträge behandeln, sondern müssen diese mit der eigentlichen Energiebeschaffung bündeln.

  2. Die Energiebeschaffung durch ÖV-Unternehmen gemäss Ziffer 1 an einer Warenbörse und ggf. der gebündelte Auftrag gemäss Ziffer 1 werden, soweit nötig in Erweiterung des Geltungsbereichs der IVöB(2), im ordentlichen bzw. selektiven Verfahren oder im Einladungsverfahren ausgeschrieben, sobald die entsprechenden Schwellenwerte in Anhang A2 zur IVöB überschritten sind. Schreiben ÖV-Unternehmen im Verbund aus, bleibt eine einmalige Ausschreibung zulässig.


Begründung:

Die Aussicht auf eine mögliche Energiemangellage liess in den letzten Monaten insbesondere die Strompreise ansteigen. Auf dem freien Markt war der Anstieg teils massiv, für manche Unternehmen sogar existenzbedrohend. Auch wenn die Lage sich scheinbar etwas entspannt hat, ist die Gefahr keinesfalls gebannt. Im Winter 2023/2024 könnte der Energiemangel sogar noch zu einem grösseren Problem werden als im Winter 2022/2023.(3)

Hohe Energiepreise betreffen auch den Kanton Bern und andere Gemeinwesen – nicht nur in ihrer Rolle als Energiebezügerinnen, sondern auch als Trägerinnen öffentlicher Unternehmen. Es liegt in ihrem Interesse, dass öffentliche Unternehmen, an denen sie wesentlich beteiligt sind, ihren Energiebedarf günstig decken. Das gilt besonders für Unternehmen, die im Bereich des öffentlichen Verkehrs tätig sind. Dies aus mehreren Gründen:

  • Wie die Corona-Krise zeigte, muss die öffentliche Hand in Krisensituationen notfalls finanziell aushelfen, wenn ÖV-Unternehmen in Schieflage geraten.(4) Angesichts der Systemrelevanz des öffentlichen Verkehrs dürfte dies auch in einer Energiemangelkrise so kommen, bzw. es wird bereits konkret in Betracht gezogen.(5)

  • Wie die Interpellation 162-2022 zutage förderte, versäumte es ein bedeutendes im Kanton Bern tätiges ÖV-Unternehmen, seinen Strombezug für den kommenden Winter rechtzeitig vertraglich abzusichern.(6) Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass das betreffende Unternehmen durch einen politischen Beschluss davon abgehalten wurde, seinen Stromliefervertrag öffentlich auszuschreiben.(5)

In erwähntem Fall musste das betreffende ÖV-Unternehmen die Strombeschaffung in einem komplizierten Beschaffungskonstrukt in mehrere Aufträge splitten, um nicht beschaffungsrechtsbrüchig zu werden:(7) Die reine Strombeschaffung konnte alsdann mit dem Schlupfloch der freihändigen Vergabe bei der Beschaffung an einer Warenbörse gerechtfertigt werden. Wie sich jetzt zeigt, setzte die politisch motivierte Vorgabe in die operativ-unternehmerische Verantwortung das ÖV-Unternehmen unnötigen wirtschaftlichen Risiken aus. Das gewählte Konstrukt ist im Ergebnis zudem weder im Sinne des Kantons, noch ist es im Sinne der Grundidee des öffentlichen Beschaffungsrechts. Gemäss Art. 63 Abs. 4 IVöB und Art. 8 Abs. 2 Bst. a IVöBG darf der Regierungsrat «die Erweiterung des Geltungsbereichs der IVöB auf weitere Auftraggeber oder Aufträge» erlassen. Der Grosse Rat kann eine derartige Erweiterung folglich auch direkt im Gesetz festhalten.

Die Motionärinnen und Motionäre sind offen dafür, dass ihre Forderung auch auf andere öffentliche Unternehmen angewandt wird. Vorliegend wird sie aber nur für ÖV-Unternehmen gestellt, da dort der Handlungsbedarf am grössten ist. Beschaffen ÖV-Unternehmen ihre Energie im Verbund (wie z. B. die Meterspurbahnen via RAILplus AG), so bleibt eine einmalige öffentliche Ausschreibung im Verbund, wie heute praktiziert, weiterhin hinreichend.

 

(1) https://www.belex.sites.be.ch/app/de/texts_of_law/731.2

(2) https://www.belex.sites.be.ch/app/de/texts_of_law/731.2-1/versions/2526.

(3) Vgl. https://www.watson.ch/schweiz/international/689942905-winter-2023-2024-koennte-zu-groesserer-herausforderung-werden.

(4) Vgl. z. B. das zweite Massnahmenpaket zur Unterstützung des öffentlichen Verkehrs in der Covid-19-Krise (https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20210064). Die Unterstützung betrifft auch den touristischen Verkehr, bspw. die touristische Schifffahrt, vgl. https://www.be.ch/de/start/dienstleistungen/medien/medienmitteilungen.html?newsID=a357b03d-0b87-41e5-9cfa-8fa9f0f64e6e.

(5) Vgl. https://www.bernerzeitung.ch/bernmobil-ist-in-finanzieller-notlage-730860009534.

(6) Vgl. Interpellation «Welche Massnahmen fassen ÖV-Unternehmen angesichts einer möglichen Energiemangellage ins Auge?», Frage 3 (https://www.gr.be.ch/de/start/geschaefte/geschaeftssuche/geschaeftsdetail.html?guid=9c21dda186754b78b2999b515d59c5d0).

(7) Vgl. https://www.bernmobil.ch/DE/Unternehmen/Medien/Medienmitteilungen/?oid=10147&lang=de&seite=2&detailmitteilung=1136&jahr=2019&mitteilung=#:~:text=Neues%20Beschaffungsmodell,die%20gesamte%20Laufzeit%20des%20Liefervertrags.


Titel: Mehr Kohärenz bei der Energiebeschaffung durch ÖV-Unternehmen

Art des Vorstosses: Überparteiliche Motion

Sprecher: Casimir von Arx

Weiter Urheber:innen (4): Patrick Freudiger (SVP), Katharina Baumann (EDU), Jürg Rothenbühler (Die Mitte), Peter Haudenschild (FDP)

Status der Bearbeitung & version française: siehe Website des Grossen Rates (falls dieser Direktlink nicht mehr funktioniert, bitte direkt auf der Seite des Grossen Rates unter www.gr.be.ch suchen; der Vorstoss trägt in der Systematik des Grossen Rates die Geschäftsnummer «2022.RRGR.432»)