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10.06.2020: Interpellation «Compliance, Transparenz und Missbrauchsprävention an Berner Spitälern»

In den letzten Wochen wurde in den Medien über mutmassliche schwere Verfehlungen seitens von Chefärzten am Zürcher Universitätsspital (USZ) berichtet:

  • Ein Chefarzt soll sich über Jahre systematisch für mehrere Operationen von Privat- und Halbprivatpatient(inn)en gleichzeitig eingetragen sowie parallel dicht getaktete Sprechstunden angesetzt haben, die eine einzelne Person nicht selbst durchführen könnte.

  • Ein weiterer Chefarzt soll während Operationen aufgetretene Komplikationen nicht konsistent dokumentiert, wichtige Angaben in Operations- und Austrittsberichten nicht erwähnt, wissenschaftliche Publikationen geschönt oder gar stark irreführend verfasst, unrichtige oder irreführende Angaben in Bewilligungsgesuchen an die Swissmedic gemacht und gegen eine Ausnahmebewilligung der Swissmedic verstossen haben.

  • Der dritte Chefarzt soll systematisch Patient(inn)en des USZ zur Behandlung an seine Privatklinik überwiesen haben, wobei das USZ Räume und Assistenzpersonal finanzierte, der Chefarzt während der Behandlung teils nicht anwesend war und das Honorar mehrheitlich an die Privatklinik ging. Weiter soll er darauf hingewirkt haben, dass ein Teil des Ausbildungsprogramms, welches Assistenzärzte/-innen in seinem Zuständigkeitsbereich für den Facharzttitel absolvieren müssen, nicht durchgeführt, aber trotzdem bestätigt wurde.

Aufarbeitungen und Überprüfungen dieser Vorwürfe durch die zuständigen Gremien sind derzeit im Gange, die Zürcher Staatsanwaltschaft trifft Vorabklärungen für mögliche Strafverfahren. Die Beschuldigten wurden teils beurlaubt oder üben medizinische Leitungsfunktionen nicht mehr aus.

Vorfälle wie jene, die in Zürich mutmasslich stattgefunden haben, werfen Fragen zur Wirksamkeit des internen Kontrollsystems auf. Unter anderem liegt der Schluss nahe, dass in allen Fällen den Chefärzten unterstellte Personen (jahrelang) von den beanstandeten Sachverhalten gewusst haben müssen. Mit einem funktionierenden internen Kontrollsystem wäre zu erwarten, dass Fehlverhalten frühzeitig und ohne landesweite Medienberichterstattung angegangen wird.

In diesem Zusammenhang von Belang ist, dass ein leitender Arzt die Spitaldirektion des USZ Ende 2019 auf Probleme im zweiten geschilderten Fall aufmerksam gemacht haben soll, von denen sich heute einige bewahrheitet hätten. Ihm sollen später ein Sabbatical nahegelegt und eine Schweigevereinbarung vorgelegt worden sein (die er nicht unterzeichnete). Darauf sollen ihm Kompetenzen entzogen worden sein, schliesslich, nach einer weiteren Meldung an den sog. Spitalrat, erhielt er die Kündigung mit sofortiger Freistellung. Wenn dies den Tatsachen entspricht, stellt es ein grosses Hindernis für das wirksame Funktionieren des internen Kontrollsystems dar.

Missbräuchliches Verhalten an Spitälern ist ärgerlich und demotivierend für alle, die ihre medizinische Arbeit fachlich und ethisch in hoher Qualität erbringen, und kann zum Abgang von mehr am Gemeinwohl interessierten Mitarbeitenden führen. Es schadet der Ausbildung von Assistenzärzten/-ärztinnen und der Reputation der Spitäler. Und es untergräbt das Vertrauen von Patient(inn)en und Steuerzahlenden ins Gesundheitssystem. Es liegt daher im Interesse des Kantons Bern, solche Probleme durch gute Prävention und funktionierende Kontrollen möglichst zu verhindern.

Der Regierungsrat wird in Bezug auf die (öffentlichen) Spitäler im Kanton Bern, insbesondere auf das Universitätsspital, um Beantwortung folgender Fragen gebeten:

  1. Wie wird die interne Kontrolle zur Verhinderung missbräuchlichen Verhaltens, wie mutmasslich am USZ vorgefallen, sichergestellt? Gibt es diesbezüglich grundsätzliche Unterschiede zwischen dem Inselspital und dem USZ?

  2. Ist es erlaubt, dass Mitarbeitende für sich Leistungen abrechnen, die sie nicht selbst erbracht haben? Wenn nein, wie wird das überprüft?

  3. Müssen Mitarbeitende gegenüber der internen Kontrollstelle ihre Interessenbindungen und Nebenbeschäftigungen melden? Die Frage bezieht sich insbesondere auf persönliche Beteiligungen an und Dienstleistungen für Unternehmen, die Medizinprodukte oder Medikamente entwickeln oder herstellen.

  4. Können Mitarbeitende, die auch an anderen Spitälern oder an Privatkliniken (resp. am Spital privatärztlich) tätig sind, die Triage der Patienten zwischen diesen Spitälern/Privatkliniken steuern? Wenn ja, gibt es für diese Triage Vorgaben und wer kontrolliert deren Einhaltung?

  5. Sieht der Regierungsrat unerwünschte Anreize für Fehlverhalten in hohen variablen, insbesondere mengenabhängigen Lohnbestandteilen (z. B. abhängig vom Sammeln einer bestimmten Anzahl Tarmed-Punkte) oder darin, dass es für die persönliche Laufbahn wichtig ist, bedeutende medizinische Innovationen hervorzubringen?

  6. Gibt es in Bern sogenannte Poolgelder (Gelder aus Honoraren für Zusatzversicherte)? Wenn ja, nach welchen Kriterien werden diese verteilt und wer kontrolliert dies?

  7. An wen können sich Whistleblower wenden, die Fehlverhalten melden wollen? Mit welchen Konsequenzen, namentlich auf ihre Anstellung und ihre Laufbahn, müssen sie nach einer Meldung rechnen?

  8. Wie beurteilt der Regierungsrat die hierarchische Struktur und die Machtverteilung zwischen Spitalleitung, Chefärzten/-ärztinnen und ihren Mitarbeitenden (z. B. bezüglich Anstellung, Karrierechancen oder Verteilung von Poolgeldern)? Worauf basiert der Regierungsrat seine Antwort?

Titel: Compliance, Transparenz und Missbrauchsprävention an Berner Spitälern

Art des Vorstosses: Einzelinterpellation

Sprecher: Casimir von Arx

Weiter Urheber:innen:

Status der Bearbeitung & version française: siehe Website des Grossen Rates (falls dieser Direktlink nicht mehr funktioniert, bitte direkt auf der Seite des Grossen Rates unter www.gr.be.ch suchen; der Vorstoss trägt in der Systematik des Grossen Rates die Geschäftsnummer «2020.RRGR.228»)