Wahl des Könizer Gemeindepräsidiums: smartvote-Analyse Teil II
Im Beitrag Wahl des Könizer Gemeindepräsidiums – smartvote-Analyse Teil I habe ich die Kandidatin und die Kandidaten fürs Könizer Gemeindepräsidium anhand ihrer smartvote-Antworten untereinander verglichen. In diesem zweiten Beitrag wende ich eine andere Perspektive an: Ich stelle einen Vergleich an zwischen den Präsidiumskandidierenden und den Kandidierenden ihrer eigenen Partei.
Was ist damit genau gemeint? smartvote errechnet bei Proporzwahlen für jede Liste den Listendurchschnitt: Für jede Frage wird ermittelt, wie die Kandidierenden der Liste, die den smartvote-Fragebogen ausgefüllt haben, die Frage im Durchschnitt beantwortet haben. Dieser Durchschnittsfragebogen liegt übrigens auch der Listen-Wahlempfehlung zugrunde, die man sich als Wählerin oder Wähler bei smartvote ausgeben lassen kann. In diesem Beitrag vergleiche ich die Präsidiumskandidierenden mit dem Listendurchschnitt der jeweiligen Parlamentsliste, also z. B. den glp-Kandidaten Thomas Brönnimann mit dem Durchschnitt der Parlamentsliste 8 (Grünliberale und Junge Grünliberale). Bei Parteien mit mehreren Parlamentslisten habe ich für den Vergleich die Hauptliste herangezogen
Pro Paarung vergleiche ich den smartspider und die Position auf der smartmap. Ausserdem habe ich mir aus Perspektive des Listendurchschnitts die Wahlempfehlung fürs Gemeindepräsidium ausgeben lassen, also die Wahlempfehlung für einen Wähler oder eine Wählerin, welche/-r den smartvote-Fragebogen so beantwortet wie der Listendurchschnitt.
Was ist davon zu halten, wenn ein/-e Präsidiumskandidat/-in vom Durchschnitt der Parlamentskandidierenden derselben Partei abweicht? Ist es ein Ausweis dafür, dass man kein/-e Parteisoldat/-in ist? Oder besteht bei stark unterschiedlichen Profilen die Gefahr, dass der/die Präsidiumskandidat/-in während der Legislatur im Parlament nicht auf die Unterstützung der eigenen Partei zählen kann? Diese Fragen zu beantworten und eine Wertung vorzunehmen, überlasse ich den Leserinnen und Lesern. Interessant dürften gewisse Beobachtungen allemal sein.
Annemarie Berlinger-Staub und Parlamentsliste 2 (SP/JUSO)
smartspider-Vergleich
Grau = Parlamentsliste 2 (SP/JUSO), Rot = Annemarie Berlinger-Staub
Achse mit grösster Abweichung: Liberale Wirtschaftspolitik (Annemarie Berlinger-Staub: 10.7 Punkte mehr)
Achse mit kleinster Abweichung: Restriktive Migrationspolitik (Übereinstimmung)
smartmap-Vergleich
Rot mit schwarzem Kreis = Parlamentsliste 2 (SP/JUSO), Rot = Annemarie Berlinger-Staub
Beobachtung: Annemarie Berlinger-Staub etwas weiter links.
Wahlempfehlung aus Sicht Parlamentsliste 2 (SP/JUSO)
Erster Platz: Annemarie Berlinger-Staub (77.3 Prozent)
Letzter Platz: Hans-Peter Kohler (29.1 Prozent)
Thomas Brönnimann und Parlamentsliste 8 (Grünliberale und Junge Grünliberale)
smartspider-Vergleich
Grau = Parlamentsliste 8 (Grünliberale und Junge Grünliberale), Grün = Thomas Brönnimann
Achsen mit grösster Abweichung: Offene Aussenpolitik (Thomas Brönnimann: 8.3 Punkte weniger) und Liberale Gesellschaft (Thomas Brönnimann: 8.3 Punkte mehr)
Achse mit kleinster Abweichung: Ausgebauter Umweltschutz (Übereinstimmung)
smartmap-Vergleich
Rot mit schwarzem Kreis = Parlamentsliste 8 (Grünliberale und Junge Grünliberale), Grün = Thomas Brönnimann
Beobachtung: Thomas Brönnimann etwas liberaler und etwas weiter links.
Wahlempfehlung aus Sicht Parlamentsliste 8 (Grünliberale und Junge Grünliberale)
Erster Platz: Thomas Brönnimann (74.7 Prozent)
Letzter Platz: Hans-Peter Kohler (45.8 Prozent)
Christian Burren und Parlamentsliste 3 (SVP)
smartspider-Vergleich
Grau = Parlamentsliste 3 (SVP), Grün = Christian Burren
Achsen mit grösster Abweichung: Offene Aussenpolitik (Christian Burren: 25.0 Punkte mehr) und Restriktive Finanzpolitik (Christian Burren: 25.0 Punkte weniger)
Achse mit kleinster Abweichung: Liberale Gesellschaft (Christian Burren 4.2 Punkte mehr)
smartmap-Vergleich
Rot mit schwarzem Kreis = Parlamentsliste 3 (SVP), Grün = Christian Burren
Beobachtung: Christian Burren deutlich liberaler und markant weiter links.
Wahlempfehlung aus Sicht Parlamentsliste 3 (SVP)
Erster Platz: Christian Burren (71.7 Prozent)
Letzter Platz: Annemarie Berlinger-Staub (29.3 Prozent)
Thomas Frey und Parlamentsliste 6 (BDP)
smartspider-Vergleich
Grau = Parlamentsliste 6 (BDP), Gelb = Thomas Frey
Achse mit grösster Abweichung: Ausgebauter Sozialstaat (Thomas Frey: 25 Punkte weniger)
Achse mit kleinster Abweichung: Liberale Wirtschaftspolitik (Übereinstimmung) und Ausgebauter Umweltschutz (Übereinstimmung)
smartmap-Vergleich
Rot mit schwarzem Kreis = Parlamentsliste 6 (BDP), Gelb = Thomas Frey
Beobachtung: Thomas Frey etwas liberaler.
Wahlempfehlung aus Sicht Parlamentsliste 6 (BDP)
Erster Platz: Thomas Frey (73.4 Prozent)
Letzter Platz: Annemarie Berlinger-Staub (46.0 Prozent)
Hans-Peter Kohler und Parlamentsliste 9 (FDP)
smartspider-Vergleich
Grau = Parlamentsliste 9 (FDP), Blau = Hans-Peter Kohler
Achse mit grösster Abweichung: Ausgebauter Umweltschutz (Hans-Peter Kohler: 37.5 Punkte weniger)
Achse mit kleinster Abweichung: Offene Aussenpolitik (Übereinstimmung)
smartmap-Vergleich
Rot mit schwarzem Kreis = Parlamentsliste 9 (FDP), Blau = Hans-Peter Kohler
Beobachtung: Hans-Peter Kohler liberaler und deutlich weiter rechts.
Wahlempfehlung aus Sicht Parlamentsliste 9 (FDP)
Erster Platz: Thomas Frey (67.0 Prozent)
Letzter Platz: Annemarie Berlinger-Staub (41.1 Prozent)
Hansueli Pestalozzi und Parlamentsliste 7 (Grüne)
smartspider-Vergleich
Grau = Parlamentsliste 7 (Grüne), Grün = Hansueli Pestalozzi
Achse mit grösster Abweichung: Ausgebauter Sozialstaat (Hansueli Pestalozzi: 30 Punkte weniger)
Achsen mit kleinster Abweichung: Restriktive Finanzpolitik (Übereinstimmung), Restriktive Migrationspolitik (Übereinstimmung) und Ausgebauter Umweltschutz (Übereinstimmung)
smartmap-Vergleich
Rot mit schwarzem Kreis = Parlamentsliste 7 (Grüne), Grün = Hansueli Pestalozzi
Beobachtung: Hansueli Pestalozzi etwas liberaler.
Wahlempfehlung aus Sicht Parlamentsliste 7 (Grüne)
Erster Platz: Hansueli Pestalozzi (81.2 Prozent)
Letzter Platz: Hans-Peter Kohler (28.1 Prozent)
Fazit: Wie nahe die Präsidiumskandidierenden am Durchschnitt ihrer Parlamentsliste sind, ist von Fall zu Fall sehr unterschiedlich: Bei Berlinger-Staub/SP, Brönnimann/glp, Frey/BDP und Pestalozzi/Grünen liegen die Positionen relativ nahe zusammen oder sind zumindest nicht auffällig gross. Die Präsidiumskandidierenden scheinen ihre Partei allgemein gut zu repräsentieren. Ausnahmen gibt es in einzelnen Themenbereichen: Hinsichtlich der Forderung nach einem ausgebauten Sozialstaat sind Thomas Frey und Hansueli Pestalozzi deutlich zurückhaltender als der Durchschnitt ihrer jeweiligen Parlamentsliste. (Hinweis für den Vergleich von smartspiders: Wenn es auf einer Achse des smartspiders eine Übereinstimmung zwischen Präsidiumskandidat/-in und Listendurchschnitt gibt, bedeutet dass nicht notwendigerweise, dass alle für diese Achsen relevanten smartvote-Fragen gleich beantwortet wurden. Dieser Schluss ist nur zulässig, wenn es eine Übereinstimmung bei 0 oder bei 100 Punkten gibt.)
Grösser sind die Unterschiede bei Kohler/FDP und Burren/SVP: Christian Burren ist um einiges eingemitteter als der Durchschnitt der SVP-Parlamentsliste. Am deutlichsten zeigt sich dies darin, dass Christian Burren eine offenere Aussenpolitik vertritt (was allerdings für die Gemeindepolitik nicht zentral ist) sowie eine weniger harte Finanzpolitik betreibt (was in der Gemeindepolitik relevant ist). Dennoch ist er der Top-Kandidat fürs Gemeindepräsidium aus Sicht der SVP-Liste. Dies gilt nicht für Hans-Peter Kohler und die FDP: Als einziger Präsidiumskandidat liegt Hans-Peter Kohler nicht auf Platz 1 der Wahlempfehlung aus Sicht der eigenen Parlamentsliste (er liegt auf Platz 3 nach Thomas Frey und Christian Burren). Dies scheint massgeblich, aber nicht ausschliesslich, mit umweltpolitischen Anliegen zu tun zu haben: Kein Präsidiumskandidat hat auf einer smartspider-Achse eine so grosse Abweichung zum Durchschnitt der eigenen Parlamentsliste wie Hans-Peter Kohler und die FDP-Parlamentsliste beim ausgebauten Umweltschutz.
Bemerkenswert ist im Übrigen, dass sämtliche Präsidiumskandidierenden liberaler (wenn auch teils nur marginal liberaler) positioniert sind als der Durchschnitt ihrer eigenen Parlamentsliste. Heisst das, dass Liberale eher für Präsidiumskandidaturen nominiert werden? Oder sind Alphatiere tendenziell liberaler? Oder handelt es sich um eine zufällige Konstellation? Diese Fragen überlasse ich der Politologie.
Quellen:
- Bei der Berechnung des Durchschnittsfragebogens pro Liste werden nur diejenigen Kandidierenden berücksichtigt, die zum Zeitpunkt meiner Auswertung ihren smartvote-Fragebogen bereits ausgefüllt hatten. Sollte nach diesem Zeitpunkt noch eine Kandidatin oder ein Kandidat den Fragebogen ausfüllen, ändert sich ggf. auch der Durchschnittsfragebogen. Meine Auswertungen habe ich am 6. und am 7. September 2017 vorgenommen.
- Zur Berechnung des Durchschnittsfragebogens verweise ich auf smartvote und deren Methodenbeschreibung – smartvote Wahlempfehlung.
- Zur Berechnung der smartspiders verweise ich ebenfalls auf smartvote: Methodenbeschreibung – smartspider-Grafiken. Der Durchschnitts-smartspider einer Liste basiert auf dem Durchschnittsfragebogen derselben Liste.
- Für die Interpretation der smartmap verweise ich auf meinen Beitrag Wahl des Könizer Gemeindepräsidiums – smartvote-Analyse Teil I, insbesondere auf die dortigen Quellenangaben.
- Die Wahlempfehlung aus Sicht einer bestimmten Liste kann man sich ausgeben lassen, indem man als Wähler/-in unter https://www.smartvote.ch/17_koeniz_praes/questionnaire die Antworten des Durchschnittsfragebogens (ersichtlich unter https://www.smartvote.ch/17_koeniz_leg/search/list) eingibt.